Liebe Leserinnen und Leser,

gerne veröffentlichen wir hierzu einen Artikel unseres Dozenten Heiko Schäfer, Heilpraktiker Psychotherapie.

Den internationalen Aktionstag gibt es seit 1992 immer am 10. Oktober. Initiator ist die World Federation for Mental Health (WFMH). Auch in Deutschland gibt es in der Woche vom 07. bis 10. Oktober eine Vielzahl an Veranstaltungen – zum ersten mal ist 2013 auch der Kreis Tuttlingen mit zwei Vorträgen im Aesculapium Tuttlingen dabei.
Leider hilft auch der seit 21 Jahren bestehende Gedenktag nicht darüber hinweg, dass es auch in Deutschland noch Verbesserungspotential im Umgang mit psychisch kranken Menschen gibt.

Daten und Fakten
Innerhalb eines Jahres erkrankt in Deutschland fast jeder dritte Erwachsene (31%) an einer psychischen Störung, davon 37% Frauen und 25% Männer.

Zu den häufigsten Erkrankungen in unserer Gesellschaft gehören Angststörungen (z.B.: Panikattacken), Depressionen und Suchterkrankungen(z.B.: Alkoholabgängigkeit).

Zwischen Erstbeschwerden und Behandlungsbeginn liegen durchschnittlich fünf Jahre. Diese Zahl sollte hellhörig werden lassen, zumal dem Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Institutes der AOK zu entnehmen ist, dass Ausfallzeiten wegen psychischen Erkrankungen im Vergleich zu körperlichen Erkrankungen wesentlich länger sind.

Psychische Erkrankungen sind nicht gesellschaftsfähig
Es versteht sich von selbst, dass ein so langes Aufschieben einer adäquaten Behandlung die Situation des Betroffenen nicht nur verschärft, sondern auch die Gefahr einer Chronifizierung in sich birgt. Allerdings verhindert die Angst vor einer Stigmatisierung häufig, dass gezielte Hilfe in Anspruch genommen wird.

Bis heute halten sich hartnäckig Mythen und Gerüchte über psychisch Erkrankte
Ein Totschlagargument, das dem Autor erst vor drei Wochen persönlich gegenüber geäußert wurde: „Ich war sogar im Krieg und hab auch nie so einen Seelenklemptner gebraucht. Den jungen Leuten geht es heute allen zu gut.“
Dieser Satz beinhaltet gleich zwei Fehlannahmen:

1.) Geht jeder Mensch mit Belastungen und Krisen unterschiedlich um. Das Nicht-Inanspruchnehmen von professioneller Hilfe (die es unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg sicher nicht ausreichend gab) ist kein Zeichen von Stärke, zumal sich nicht verarbeitete oder verdrängte emotionale Verletzungen und Traumata nachweislich auch noch auf Nachfolgegenerationen ungünstig auswirken.

2.) Steigt die Zahl älterer depressiver Menschen stetig an. Eine Depression ist keine Erkrankung, die nur junge Leute treffen kann.

Ebenfalls häufig zu hören: „Depressionen bekommen nur Leute, die sich dem Leistungsdruck entziehen wollen. Wir mussten früher auch schaffen.“
Hier wird umgekehrt ein Schuh daraus. Die Anforderungen der modernen Arbeitswelt sind schnelllebiger denn je. Neue Technik lässt uns immer und überall erreichbar sein. Die Grenzen zwischen Arbeit und Feierabend sind fließend oder verschwinden ganz. Wer aber keine klar geregelte Arbeitszeit hat, der hat auch keine klar definierte Freizeit – und das macht krank.

Laut „Globometer – die Welt in Zahlen“ werden pro Sekunde 3,7 Millionen E-Mails verschickt. Das sind 117.480 Milliarden pro Jahr. 75% davon sind sogenannte Spammails. Also z.B. Werbung oder anderer „Abfall“. Ob der Rest wirklich nötig ist, darf bezweifelt werden. Allein die Tatsache, dass ein Postbrief von Absendung bis Rückantwort früher (inklusive Bearbeitungszeit) eine knappe Woche gedauert hat, ließ die Leute vorher überlegen, ob der Aufwand des Briefschreibens sich lohnt. Heute wird ein elektronischer Brief innerhalb Sekunden zugestellt. Da ist das Nachdenken, ob der Inhalt sinnvoll ist, unter Umständen der größere Aufwand und man hat das Handeln bzw. Reagieren an jemand anderen delegiert. Das geht solange gut, bis niemand mehr zum Delegieren da ist. Spätestens der Letzte in einer solchen Kette ertrinkt in Mails. Das macht krank.

Ein Gedenktag pro Jahr reicht nicht
Heutzutage steht die Psychotherapie neben der Medizin in der Reihe der anerkannten Heilberufe. Glücklicherweise wird auch in Deutschland Psychotherapie nicht nur als Notwendigkeit bei psychischen Erkrankungen erkannt, sondern mehr und mehr auch der Nutzen professioneller Beratung und Unterstützung in belastenden Lebenssituationen, bei persönlichen Problemen oder auch nur als Möglichkeit „um etwas für sich zu tun“. Menschen, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, dürfen nicht stigmatisiert werden, sondern verdienen unseren Respekt.

Betroffene kann es in jedem Umfeld geben und diese sind keinesfalls verrückt. Ein offenerer Umgang mit psychischen Störungen und vor allem die Akzeptanz solcher Erkrankungen und das Verständnis für sie würden unserer Gesellschaft gut tun. Vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es jeden von uns treffen kann. Jeder Einzelne ist aufgefordert, den Umgang mit diesem Thema zu überdenken und zu hinterfragen. Wie reagieren Sie, wenn ein Angehöriger eine psychische Störung hat oder Sie selbst betroffen sind? Informieren sie sich. Auch in Ihrer Nähe gibt es ärztliche Psychotherapeuten, psychologische Psychotherapeuten oder Heilpraktiker für Psychotherapie, die Ihnen gerne Auskunft geben und weiterhelfen.

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