Liebe Leserinnen und Leser,

Psychotherapieverfahren gibt es eine ganze Menge. Die nachfolgende Auswahl soll helfen, einen kleinen Überblick über verschiedene Ansätze zu geben, wohl wissend, dass man über jedes einzelne Verfahren ganze Bücherregale füllen kann und somit aus Platzgründen kein Anspruch auf Vollständigkeit gegeben ist.

Was ist Psychotherapie?

Psychotherapie ist das Behandeln psychischer Störungen mit wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren. Hiervon abzugrenzen sind unzählige Behandlungen aus dem Bereich der Esoterik. Das Arbeiten mit (Wald)Geistern, Engeln, Auraphotographie und vielem mehr hat mit Psychotherapie nichts zu tun. Besondere Vorsicht ist bei allen Behandlern geboten, die z.B. die Einnahme von Psychopharmaka grundsätzlich ablehnen und Patienten zwingen, sich gegen die Schulmedizin zu entscheiden.

Wie findet man nun einen Therapeuten, der zu einem passt?

Grundsätzlich haben alle Verfahren zum Ziel, einschränkende Überzeugungen zu verändern, Gefühle zu verstehen und auszudrücken, Konflikte zu bewältigen und, falls nötig, günstigere Verhaltensweisen zu erlernen. Damit dies möglich ist, braucht es unabhängig vom Verfahren eine vertrauensvolle persönliche Beziehung zwischen Patient/in und Therapeut/in.

Therapieverfahren – ein Überblick

1.)   Psychoanalyse/tiefenpsychologische Verfahren

Die Psychoanalyse (und die daraus entwickelten tiefenpsychologischen Verfahren) wurde ab ca. 1900 von Sigmund Freud in Wien entwickelt und ist das erste wissenschaftlich begründete Therapieverfahren. In seinem Instanzenmodell der Psyche beschreibt er das ES, das ÜBER-ICH und das ICH. Das ES ist das Lustprinzip, das den Menschen aus dem Innern heraus durch Triebe steuert. Das ÜBER-ICH wird als Sitz der Regeln und Normen verstanden und verhindert ein unkontrolliertes Ausleben dieser Triebe. Das ICH vermittelt zwischen diesen beiden Instanzen und der Umwelt. Freud ging davon aus, dass psychische Erkrankungen/Symptomen unbewusste Konflikte zwischen diesen drei Instanzen zugrunde liegen. Die Psychoanalyse soll dem Patient helfen zu verstehen, woher seine Probleme/Symptom kommen und ihm dadurch ermöglichen, eine Lösung zu finden. Der berühmte freudsche Satz „wo ES ist, muss ICH werden“ zielt darauf ab, dass sich durch die Bewusstmachung und Erkenntnis unbewusster Prozesse das Problem löst, weil das Symptom dann nicht mehr gebraucht wird. Die tiefenpsychologischen Verfahren haben die Theorien Freuds immer noch als Grundlage, haben diese aber ganz oder teilweise angepasst und weiterentwickelt.

2.)   Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie ist das Therapieverfahren, das nach streng wissenschaftlichen Maßstäben ihre Wirksamkeit empirisch ermittelt hat. Im Gegensatz zur Analyse geht die Verhaltenstherapie nicht davon aus, dass der Mensch von inneren Konflikten und Trieben gesteuert wird, sondern dass menschliches Verhalten auf Lernerfahrungen basiert. Alle Verhaltensweisen, günstig oder ungünstig, sind erlernt und damit auch, wenn nötig, umlernbar und werden durch Konsequenzen verstärkt oder abgeschwächt.

Später wurden auch die Kognitionen (Gedanken und Überzeugungen) miteinbezogen, die (häufig unbewusst) Bewertungen von Situationen darstellen und Gefühle und Verhalten beeinflussen. Da Gedanken und Überzeugungen veränderbar sind, kann so auch das eigene Verhalten verändert werden.

3.)   Gestalttherapie

Als tiefenpsychologisch und humanistisch fundierte Psychotherapiemethode orientiert sich das Menschenbild der Gestalttherapie am gesunden Menschen. Die „Weisheit des Organismus“ lässt in jedem Augenblick das in den Vordergrund treten, was momentan am dringlichsten ist. Wenn dabei Störungen auftreten, werden diese als spontane Umleitung des Lebensflusses verstanden, um trotz widriger Lebensbedingungen bestehen zu können.

Ziel ist es, mit sich selbst und anderen Menschen aktiv neue Erfahrungen zu machen, auf lebendige Weise neue Erlebens- und Verhaltensweisen zu erlernen und bestehende Schwierigkeiten zu überwinden. Die Gestalttherapie ist zentral auf die Gefühle des Menschen ausgerichtet, denn mit seinen Gefühlen ist er sich selbst am nächsten, seien es Gefühle der Freude, der Trauer, der Liebe, des Verärgertseins oder der Hoffnung. In unserer von Rationalität einseitig beherrschten Welt wird die Entwicklung der Gefühle vernachlässigt und unterdrückt, was Selbstentfremdung und Identitätskonflikte hervorrufen und eine Vielzahl von bedenklichen sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen zur Folge haben kann. Viele Menschen kommen sich in ihrer Gefühlszentrierung (Grundgefühl) minderwertig vor. Im Gegensatz dazu ermöglicht die Gestalttherapie die Befreiung von Gefühlen, das Erkennen derer Wertigkeit für ein erfülltes Leben des Einzelnen und für ein menschliches Miteinander.

4.)   Familientherapie

Unter Familientherapie oder Systemischer Therapie werden verschiedene Ansätze verstanden, deren Anliegen es ist, ungünstige Interaktionen in Familien- oder Beziehungssystemen zu verändern.

Betrachtet werden vor allem die Sicht- und Verhaltensweisen der Personen eines Beziehungsgeflechts in ihren Wechselwirkungen. Die Verantwortung Einzelner sowie deren besondere Belastungen werden nicht isoliert gesehen, sondern als Ausdruck der Beziehungen in einem sozialen System verstanden. Durch Verbesserung der Kommunikation und Interaktion eines Systems sollen die Symptome behoben werden, die ein Systemmitglied entwickelt, um das ganze System zu stabilisieren (Beispiel: Einnässen eines Kindes, damit Eltern sich nicht trennen). Zentral ist hier die Auflösung ungünstiger Interaktionen und unklarer Kommunikation, in deren Folge dann das Symptom überflüssig wird und ausbleiben kann. Besondere Aufmerksamkeit erfahren Chancen und Möglichkeiten von Menschen. Besondere Fähigkeiten werden hervorgehoben und gestärkt. Persönliche „Schwächen“ gelten eher als subjektive Wahrnehmungen, die möglicherweise nur vorläufigen Charakter besitzen, da sie stark von den Sicht- und Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder bzw. vom Selbstbild des Einzelnen abhängen.

5.) Hypnose

In der Regel erscheint dem Laien Hypnose als ein Zustand, der durch eine besondere Gabe des Hypnotiseurs herbeigeführt wird. Der Hypnotisierte führt willen- und bedingungslos Befehle aus, die normalerweise nicht möglich scheinen. Dieses Bild entsteht nicht zuletzt durch Sensationsberichte in den Medien und Bühnenhypnose. Die meisten Europäischen Länder haben solche Showhypnosen bereits verboten. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Verbot auch in Deutschland endlich durchgesetzt wird, weil derartige Berichte nicht nur ein falsches Bild von Hypnose zeichnen, sondern auch unrealistische Erwartungen seitens des Patienten wecken, was die Dauer und den Verlauf einer Hypnotherapie angeht.

Glücklicherweise gewinnt Hypnose in letzter Zeit in breiten Kreisen zunehmend an Akzeptanz. Immer mehr Menschen beginnen den Nutzen der Hypnose zu erkennen. Sie lernen Hypnose als ein Instrument kennen, das sie interaktiv mit dem alles beeinflussenden Unbewussten kommunizieren lässt und ihnen so ermöglicht, sich nicht nur leichter zu verändern, sondern auch in dem, was sie schon gut machen, noch besser zu werden.

Was früher viele Menschen zögern ließ, Hypnose zu nutzen, war die Befürchtung, dass man während der Hypnose fremdbestimmt sei. Ganz im Gegensatz dazu steht bei der klinischen Hypnose der Patient mit seiner Wirklichkeit im Mittelpunkt. Tatsächlich ist sich der Patient in Hypnose seiner selbst und der Vorgänge während der Hypnosesitzung bewusst und kann sich hinterher in der Regel an alles erinnern. Der hypnotische Zustand wird als veränderter Bewusstseinszustand erlebt, der häufig als ein Zustand „wie kurz vor dem Einschlafen“ beschrieben wird. Die Aufmerksamkeit ist mehr auf die „innere Realität“ gerichtet, die der Therapeut durch Suggestionen, Metaphern, etc. gestaltet, während die Umwelt in den Hintergrund tritt. Hirnphysiologisch kann Hypnose klar vom Schlaf abgegrenzt werden.

Hypnose ist keine eigenständige Therapieform. Sie wird in der Regel in Kombination nützlicher Verfahren der Veränderung aus bekannten Psychotherapieverfahren (Systemische Therapie, Gestalttherapie, Verhaltenstherapie, Psychoanalyse) angewendet.

Heiko Schäfer, www.psychotherapie-schaefer.de